»Applaus macht besoffen!«

Gespräch mit zwei Kleindarsteller:innen aus dem erweiterten »Anatevka«-Ensemble

09.Januar 2025

Die Besetzungsliste des Musicals »Anatevka« ist für das Theater Plauen-Zwickau eine Mammutaufgabe. Zur ersten Konzeptionsprobe Anfang Januar kamen beinahe fünfzig Beteiligte – und das waren längst nicht alle. Zu den professionellen Künstler:innen des Hauses und den künstlerischen Gästen auf und hinter der Bühne kommt auch eine beachtliche Gruppe von ehrenamtlichen Statist:innen hinzu, die es erst ermöglicht, eine so opulente Produktion zu stemmen.

Manche der nichtprofessionellen Darsteller:innen spielen und singen seit Jahren in zahlreichen Inszenierungen des Theaters auf den Bühnen beider Städte. Zwei von ihnen, die in »Anatevka« als einfache Frauen aus dem Schtetl zu sehen sind, erzählen, was sie antreibt.

 

Lena Schicketanz, warum hast Du Dich gemeldet, um bei »Anatevka« mitzuspielen?

Lena: Ich komme gebürtig aus Erfurt, bin in Plauen aufgewachsen und habe vier Jahre in Zwickau studiert. Ich war winzig, als ich als Zuschauerin mit dem Theater in Berührung kam. Später war ich im Kinderspielclub. Nach dem Abitur dachte ich, dass ich mit meiner Bühnenerfahrung und einigen Jahren Gesangsunterricht eigentlich mehr Theater machen müsste. Während der Corona-Zeit hatte ich das Glück, über eine Instagram-Ausschreibung beim Sommer-Musical mitmachen zu können. Seitdem war ich bei sieben Produktionen dabei. Natürlich wollte ich dann auch »Anatevka« nicht auslassen.

 

Sylvia Lehnigk, wie ist das Theater zu Dir gekommen?

Sylvia: Ich bin im Erzgebirge aufgewachsen und lebe in Irfersgrün bei Zwickau. 1988 bin ich als Studentin nach Zwickau und dann auch zum Theater gekommen. Über zehn Jahre war ich Teil des damaligen Extraballetts. Der Deal war gut: Ich habe kostenlos gespielt und dafür sechs Stunden pro Woche kostenloses Tanztraining bekommen. Dafür bin ich heute noch dankbar! Und mittlerweile bin ich wieder seit über elf Jahren als Kleindarstellerin in verschiedenen Produktionen des Schauspiels beteiligt.

 

Warum ist Euch das Theatermachen so wichtig?

Sylvia: Mittlerweile ist das einfach mein Theater. Über die Jahrzehnte bildet sich ein Zugehörigkeitsgefühl aus, man kennt die Kolleg:innen. So wurde das Theater ein sehr großer Teil meiner Freizeit, weil es mir so am Herzen liegt. Es ist einfach mein Leben. Und ich hoffe, dass wir weiterhin die Gelegenheit haben, auch auf der Bühne dabei zu sein.

Lena: Auch wenn viele Leute gehen und andere kommen, ist das Miteinander-Spielen für mich ein Rahmen, der bleibt. Und da ich das nicht beruflich mache, ist da auch nicht so viel Druck dahinter. Wir Kleindarstellerinnen bekommen nur die schönen Momente mit und nicht die Schattenseiten des Schauspielberufs.

 

Theater geht oft an Grenzen, auch für die, die es machen. Habt ihr auch Momente, an denen Euch alles zu viel wird?

Sylvia: Eine meiner Grenzen ist, dass ich nur bedingt Noten lesen kann und bei den musikalischen Proben länger brauche, bis es sitzt. Ansonsten nehme ich alles, was stressig ist, von vorneherein gerne in Kauf.

Lena: Das stimmt, wir wissen mittlerweile, was Statisterie bedeutet und entscheiden uns trotzdem immer wieder dafür. Bei einer Produktion habe ich eine osteuropäische Prostituierte gespielt. Die stereotypische Art, wie die Rolle angelegt war, widersprach meinen eigenen Werten. Es war schwierig, die Erwartungen des Regisseurs zu erfüllen und die Rolle gleichzeitig emotional nicht zu nah an mich heranzulassen. Letztlich habe ich hierbei aber auch am meisten gelernt.

 

Für welchen Theater-Moment haben sich die zahllosen Stunden ehrenamtlicher Theaterproben besonders gelohnt?

In der Produktion »Das letzte Schiff« hatten wir auch eine individuelle Rolle, so wie jetzt bei Anatevka. Da konnte ich mich so richtig schön reinfühlen. Die Story war gut, die Lieder waren gut und mit dem ganzen Team hat die Chemie gestimmt. Und vor jeder Vorstellung wusste ich: Ich gehe jetzt nach Wallsend und das ist mein Zuhause.

Sylvia: Für mich ist meine kleine Sprechrolle in Mundart in der »Vogtlandrevue« eine ganz besondere Ehre. Aber ich bin generell im Glücksrausch bin, wenn ich tanzen und singen darf. Was das Ganze abrundet, ist die Atmosphäre hinter der Bühne und natürlich, wenn das Publikum reagiert. Applaus macht besoffen, das ist einfach so!