Neues aus der Dramaturgie - Ein Schnack mit der vielseitigen Choreografin der "Blues Brothers" Marita Erxleben
16.November 2023Marita Erxleben arbeitet zum ersten Mal für das Theater Plauen-Zwickau als Choreografin im Musical „Blues Brothers“. Die vielseitige gebürtige Potsdamerin hat allerlei Projekte realisiert, entwickelt sich ständig weiter und leitet u. a. seit vielen Jahren eine Tanzakademie. Dramaturgin Isabel Stahl traf sich mit ihr auf Kaffee und Kuchen, um Marita dem Publikum näher vorzustellen.
I.S.: Marita, wie bist du zur Choreografie gekommen und wie zu deiner Tanzakademie in Potsdam?
M.E.: Ich habe schon als Kind getanzt und relativ schnell gemerkt, dass ich die Leute gerne bewege, weiterentwickele, etwas aus ihnen mache. Eigentlich habe ich schon in der Schule alle gerne tanzen lassen. Immer wenn wir Pause hatten, war ich die Leiterin und die anderen haben getanzt. Das ging so weit, dass der Sportlehrer gesagt hat: „Marita mach du mal Tanz, ich mache mit den Jungs Fußball draußen“. Und weil es aber mein Herzenswunsch war Kinderärztin zu werden, habe ich erst Kinderkrankenschwester gelernt. Und dann waren so Talente-Scouts zu DDR-Zeiten unterwegs, die haben mich entdeckt als jemanden, den man ausbilden muss, damit er mit Menschen künstlerisch arbeitet. Die haben mich delegiert und ich habe eine Ausbildung als Tanzpädagogin und Choreografin gemacht. Und dann dachte ich, ich werde Kinderärztin mit Tanztherapie. Ganz viele Freunde haben dann gefragt, wieso willst du überhaupt Medizin studieren und da habe ich gedacht, ich lasse diesen Traum hinter mir und mache eine Tanzakademie auf. Ich habe auch schon nebenbei Gruppen unterrichtet, es war also schon ein zweites Standbein da. Und dann bin ich nach New York geflogen, weil ich den Vibe dort spüren wollte und habe mich in Ballett und Contemporary weitergebildet. Ich bin nach regelmäßig nach New York, weil ich das brauchte und dann kam es, dass die Filmstudios in Babelsberg eine Choreografin gesucht haben und dann habe ich beim Film gearbeitet. Dann hat das Hans-Otto-Theater eine Choreografin gesucht und so bekam ich immer die Möglichkeit, als Choreografin zu arbeiten. Das ist immer die Frage, wer gibt dir die Möglichkeit? Ich wollte in der Tanzakademie auch mit jedem Level arbeiten können, aus jedem etwas herausholen und so habe ich jetzt drei Standorte der Tanzakademie in Potsdam. Wir haben über 1000 Mitglieder. Ich unterrichte unheimlich gerne, aber wenn ich das nur machen würde, wäre mir das zu eintönig, ich muss immer wieder raus.
I.S.: Dein Herz schlägt ja auch für die Regie, wie ist es dazu gekommen?
M.E.: Als ich mich so eingegroovt hatte als Choreografin, kam der Wunsch nach einer neuen Herausforderung und da hat mich die HFF (Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam) geholt und ich habe mit Robert Thalheimer gearbeitet für seine Regie-Abschlussarbeit. Ich habe zu Robert gesagt: Eigentlich habe ich auch Interesse daran, Regie zu studieren und er hatte gesagt: „Ja mach!“. Und dann habe ich überlegt, tue ich diesen Schritt, gehe ich nochmal studieren als Frau, die mitten im Leben steht. Dann hat mir 2009 Tobias Wellemeyer (Ehemaliger Intendant des Hans-Otto-Theater Potsdam) die Entscheidung abgenommen, er hatte etwas von mir gesehen, mich angerufen und gesagt, er würde gerne, dass ich bei ihm in der nächsten Spielzeit eine Regie mache. Ich habe dann noch gesagt: Sie wissen aber schon, dass ich Regie nicht gelernt habe? Da hat er nur gesagt: Ja, da brauchen Sie nur einen guten Dramaturgen. Mein erstes Stück hieß „Motte und Co“, ich liebe dieses Stück …
I.S.: Ja, das ist ein tolles Stück! Gertrud Pigor ist eine sehr gute Kindertheater-Autorin, die es schafft, jung und alt zu begeistern.
M.E.: Und ich bin natürlich mit einer anderen Sicht heran gegangen und das war, was Tobias gereizt hat, ich bin mit einer choreografischen Sicht an das Stück herangegangen und habe auch viel mit Bewegung gemacht. Ich hatte ein total tolles Team, wir haben erst nicht die gleiche Sprache gesprochen. Das war mir natürlich nicht bewusst, Schauspieler:innen haben eine ganz andere Sprache als Choreografen. Ich habe so den Klassiker gesagt: „Mach mal anders!“Aus heutiger Sicht bin ich über die äußere Form an die Rollen herangegangen, aber es war total gut, wir sind auch zu der inneren Form gekommen. Ich hatte Glück, es ist total gut angekommen, wir haben 49 Vorstellungen gespielt. In der zweiten Inszenierung hatte ich eine Schauspielerin, Sabine Scholze, als Regieassistentin. Und vorher bin ich zu dem Regisseur Bodo Fürneisen, das ist ein Regisseur, der an der HFF Regie unterrichtet, gegangen. Der sagte zu mir: “Regie kann man nicht lernen, du musst nur wissen, wie man mit Schauspielern umgeht, komm in meine Vorlesung“. Und zu Sabine konnte ich einfach sagen: „Sabine, was muss ich sagen, wenn ich das erreichen will?“ Für mich war das ein total spannender Weg, weil nach den Regiearbeiten dachte ich, jetzt will ich aber nicht mehr mit Tanz in Verbindung gebracht werden und es hat total lange gedauert bis ich verstanden habe, was das Besondere an mir ist. Wenn ich jetzt inszeniere, bin ich immer auf der Suche danach, wie viele Worte brauche ich überhaupt und was kann ich über Bewegung erzählen, die Niederländer sind da ganz große Vorbilder, die erzählen viel mehr über Bewegung.
I.S.: Du hast jedes Jahr eine Premiere mit sehr vielen Laiendarsteller:innen am Hans Otto Theater. Wie choreografiert man so viele Menschen und hält sie zusammen?
M.E.: Ich habe gedacht, die Zuschauer:innen müssen etwa sehen, was sie die ganze Zeit fesselt und nicht, dass die Leute nur ihr Kind sehen wollen und dann wieder gehen. Ich bin ein großer Fan von Vorbildern. Und da habe ich gedacht, ich kann viel erreichen, wenn ich professionelle Spieler und Tänzer mit Laien zusammenbringe. Und dann schreibe ich eine Geschichte und ich muss wissen, wie sich das wie ein Puzzle zusammensetzt. Dann arbeiten einzelne Gruppen und ich setze nachher das Puzzle wieder zusammen.
I.S.: Und wie viele Leute sind da dabei?
M.E.: Ca. 850 sind das jetzt. Wir haben 6 Besetzungen, auf der Bühne sind dann so 150. Letztes Jahr hatten wir das „Dschungelbuch“ und der Balou war ein Schauspieler, der auch die Erzählerrolle hatte. Eine total spannende Zusammenarbeit.
I.S.: Ich habe auch gelesen, dass du eine Stuntshow choreografiert hast. Das ist doch nochmal was ganz anderes, oder?
M.E.: Friedhelm Schatz war der Chef vom Filmpark Babelsberg, dem auch die Stuntshow unterstand und der hatte mich gefragt, ob ich eine Stuntshow inszenieren kann. Wir haben dann eine neue Story geschrieben, da wurde für uns auch extra ein Hubschrauber angeflogen. Das war wieder eine ganz andere Arbeit. Du musst dir vorstellen, dass sind ja ganz megaharte Jungs und megaharte Frauen und du musst dich da ganz anders durchsetzen. Ich wollte, dass sie auch spielen und nicht nur Stunts zeigen. Wir habe eine tolle Sprache zusammen bekommen und es war dann so, als ob du ein Actionspiel live erlebst.
I.S.: Nochmal zurück zum Tanz: Hast du einen Lieblingstanzstil?
M.E.: Nein, ich komme eher aus dem Ballett und aus der deutschen Folklore, es gibt tolle deutsche Folklore, das geht leider etwas verloren. Was mich persönlich interessiert, sind die Schnittstellen. Ich mag die Energie und die Freiheit von Hip Hop, ich mag das Geschmeidige vom Contemporary und bin am Überlegen, wie kriege ich die Energie vom Hip Hop ins Ballett. Ich möchte die Stile ganz frech mixen. Es gibt jetzt in New York einen neuen Tanzstil, den „Street Theatre Dance“, da kommt immer mehr Hip Hop mit rein. Ich finde das Mischen super, mich interessiert von allem etwas.
I.S.: Woher nimmst du deine Energie und was gibt dir Kraft?
M.E.: Ich glaube, dass es damit zusammenhängt, wenn man das macht, was man liebt. Für mich ist das keine Arbeit. Mein 23jähriger Sohn geht in meine Fußstapfen, er tanzt Hip Hop und Contemporary und ich kann mir bei ihm schon Rat holen. Er fordert mich auf angenehme Art heraus. Ich habe gemerkt, wenn du mit jungen Menschen arbeitest, gibt dir das Energie und hält dich jung.
I.S.: Das glaube ich dir aufs Wort. Danke für das Gespräch und ich freue mich darauf, die „Blues Brothers“ mit deinen Choreografien zu sehen.