Eröffnung der Theaterwoche der Toleranz

28.August 2024

Bei strahlendem Sonnenschein wurde gestern Abend vor dem Zwickauer Gewandhaus die Theaterwoche der Toleranz eröffnet. Jugendliche des Theaterjugendclubs führten unter der Leitung von Theaterpädagogin Theresa Weidhas eine beeindruckende Performance auf. Begrüßungen gab es von Oberbürgermeisterin Constance Arndt und Generalintendant Dirk Löschner. Musikalische Einlagen wurden von unserem Opernchor sowie Annette Schneider mit der Gitarre präsentiert. Im Haus wurde im Anschluss eine Ausstellung von Osmar Osten eröffnet.

Hier die Rede unseres Generalintendanten:

Menschenbeifall
von Friedrich Hölderlin
 
Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? Warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortreicher und leerer war?
 
Ach! Der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.
 
 
 
Liebe Zwickauerinnen, liebe Zwickauer,
liebes Publikum des Theaters Plauen-Zwickau,
lieber Mitglieder der Zwickauer LGBTQ+Community
und auch ganz klassisch: meine sehr verehrten Damen und Herren:
ein herzliches Willkommen zur Theaterwoche der Toleranz!
 
Mit Hölderlin und dem Göttlichen für Toleranz? Was ist das Göttliche und wer darf behaupten, es in sich zu tragen? Genau hier liegt der Ursprung der Idee der Toleranz. Die Frage nach dem Göttlichen hat Menschen zu allen Zeiten entzweit, hat sie in unterteilt in Gläubige und Ungläubige oder gar Häretiker und für die Mehrheit stellte sich immer die Frage: wie gehen wir mit den Anderen um?
Herrschende, die auf ein friedliches Miteinander ihrer Untergebenen aus waren, erließen Toleranzedikte – von Kyros, der 538 v.Chr. den Israeliten die Heimkehr aus dem babylonischen Exil nach Persien gestattete über die Duldung des Christentums (ja, auch das war mal nötig!) im Römischen Reich 311 durch Galerius bis in die Neuzeit. Wurden Sündenböcke gesucht wie zur Zeit der Pest in Europa, in deren Folge in jüdischen Gemeinden geraubt und gemordet wurde, oder lockte der Wohlstand, den Minderheiten erreicht hatten, wie jener der Chinesen auf Bali 1966, dann war es mit der Toleranz schnell vorbei. Die Anderen wurden dann schnell zu Feinden erklärt, bedroht, getötet.
Jemanden oder etwas zu tolerieren hat nie bedeutet, es zu begrüßen, es gut zu heißen, es zu mögen. Es bedeutet lediglich, es zu erdulden, es zu ertragen, das Andere, den Anderen. Die Alternative ist das Verbot, die Verfolgung, die Vernichtung.
Allein die Ankündigung unserer Theaterwoche der Toleranz treibt manchem das Blut in den Schädel, diverse Reaktionen in den sozialen Medien zeigen das. Ist es wirklich soweit? Ich vermeide das „schon wieder“, denn die Geschichte wiederholt sich nicht! Gelüstet es Einzelne oder Gruppen in unserer Gesellschaft, in unserer Stadt nach Verbot, Verfolgung, Vernichtung Andersartiger? Und lassen wir diesen den Raum, ihren Hass in unser Leben zu tragen?
Die extreme Rechte versucht, die Geschichte mit einem eigenen Narrativ umzukehren: das „Normale“ sei in Gefahr, die Familie aus Vater, Mutter, Kind bedroht. Von wem, wenn die Frage erlaubt ist? Von einer liberalen, queeren „Propaganda“? Sie erklärt die große Mehrheit der Cis-Normativen Heterosexuellen zur bedrängten Minderheit, zur bedrohten, schutzbedürftigen Ausnahme. Im Ernst? Dass Schwule sich nicht mehr heimlich in dunklen Parks treffen, sondern auf offener Straße ihre Liebe zueinander zeigen, das ist bedrohlich? Dass Kinder offen in der Kita sagen können, dass sie zwei Mamas haben, stellt eine Bedrohung der Kinder mit Mama und Papa dar? Dass Transgender-Personen einfordern, nicht mit Pronomen wie ER oder Sie angesprochen zu werden, ist eine Bedrohung für IHN oder SIE, die sich ihrer Sache sicher sind? Das Ende der Unterdrückung, der Unsichtbarmachung (selbst gewählt oder von anderen entschieden), der Ausgrenzung stellt die heteronormative Mehrheit infrage, bedroht sie? Ernsthaft?!
Das Theater bestimmt nicht den rechtlichen Rahmen unseres Zusammenlebens, es stellt nicht die öffentliche Ordnung her oder schreitet ein, wenn Verbrechen begangen werden. Das Theater ist auch kein Biologieunterricht, der Ungebildeten erklärt, was „Normal“ oder „Natürlich“ ist. Das Theater macht deutlich.
Und so begegnen wir als Theaterleute der infamen Lüge, der Hetze und Hysterie von rechts außen mit einer freundlichen Einladung an alle, die denen nicht auf den Leim gehen. Wir versuchen zumindest, auch denen, die ihre Schwierigkeiten haben, tolerant zu sein, mit Toleranz zu begegnen. Wir schaffen in der Theaterwoche der Toleranz viele Möglichkeiten, die eigene Toleranz zu prüfen, sich zu reiben an der anderen Sicht, am anderen Erleben, an der anderen Erfahrung. Und wir schaffen Gelegenheiten, die Liebe zu feiern, denn das ist das Göttliche, das Hölderlin meint.
Demjenigen, der dem Gewaltsamen Sympathie entgegenbringt, rufen wir zu: sei kein Knecht! Sei selbst stark! Bringe den Mut auf, Andere anders sein zu lassen und vielleicht schaffst du es sogar von der Toleranz zur Akzeptanz.
 
Ich eröffne die Zwickauer Theaterwoche der Toleranz und lade Sie und euch ein, mit uns zu schauen, zu hören, zu diskutieren und zu feiern.
Das Leben ist bunt und das soll es auch bleiben!