Presse
Ein Spot richtet sich auf den noch geschlossenen tiefroten Samtvorhang des Vogtlandtheaters Plauen. Eine weiß behandschuhte Hand kommt zwischen den Vorhängen zum Vorschein und deutet dem Publikum gestisch, dass es nicht erwünscht sei, zu filmen, zu fotografieren und um Himmels Willen vor allem nicht mit Papier zu rascheln. Dem schmunzelnden Publikum wird bereits an dieser Stelle klar, dass in den folgenden knapp zweieinhalb Stunden dem Addams-Family-Kult in jeder erdenklichen Weise gefrönt wird. (…)
Bühne frei für ein wildes und oft hanebüchenes Abenteuer: Bereits bei der Eröffnungsnummer „Bist du ein Addams“ ist dermaßen viel los, dass es beinahe unmöglich ist, das Geschehen komplett zu erfassen. Neben den bekannten Charakteren der Addams Family tummeln sich, quasi als Backgroundchor und Tänzer noch eine illustre Schar bereits verstorbener Prominenter oder besser gesagt, deren komplett graue Leichen wie Karl Lagerfeld, Albert Einstein, Max und Moritz oder Tutanchamun auf der Bühne. (…) Dass jedes Ensemblemitglied eine historische oder fiktive Persönlichkeit und nicht eben einfach eine beliebige Person darstellt, ist typisch für die große Detailverliebtheit dieser Inszenierung, welche sich durch alle Facetten der Show hindurchzieht. (…)
Im Zentrum hat Bühnenbildnerin Eva Humburg die Villa der Addams als großes Element mit einer Tür in der Mitte und seitlichen Treppenaufgängen platziert. Dank einer Drehbühne verwandelt sich dieses Element mal in die Kulisse für ein Schlafzimmer, mal in den Eingangsbereich und – besonders schön gelungen, wenn die Bühne sich so dreht, dass eine der Treppen im Vordergrund steht – in das Treppenhaus der Addams. Dies ermöglicht einen sehr schnellen und vor allem flüssigen Szenenwechsel, der es Regisseur Manfred Ohnoutka ermöglicht, in seiner Inszenierung enorm auf die Tube zu drücken. (…)
Unterstützt wird diese auf Tempo setzende Inszenierung durch die Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen-Zwickau. In den Shownummern kraftvoll und schmissig, in den vielen Tango-Nummern der Show verführerisch fließend führt Dirigent Michael Nündel das Orchester durch die Show. Die Tontechnik ist sehr fein ausgesteuert, so dass jeder einzelne Kastagnettenschlag zu hören ist. Das Verhältnis zwischen den Stimmen auf der Bühne und der Begleitung aus dem Orchestergraben ist sehr gut ausgewogen, so dass auch schnell gesungene Texte gut verständlich sind. Kostüme und Masken orientieren sich an den ikonischen Darstellungen der Protagonisten in den ursprünglichen Cartoons, der Schwarz-Weiß-Serie und den Filmen und sind aufwendig gestaltet.
Bühne, Ausstattung und musikalische Umsetzung dieser Inszenierung bereiten jedoch nur den Boden für das beeindruckendste Pfund, mit dem die „Addams Family“ in Plauen und Zwickau wuchern kann: Die schlicht und ergreifend großartige Besetzung der beiden Hauptrollen Morticia und Gomez Addams. Das Timing zwischen den beiden stimmt zu jeder Zeit, so dass jeder Gag – und sei er auch noch so platt – zündet. Die Verliebtheit und die Verrücktheit sind in jedem Moment zu spüren. (…) Das Buch der „Addams Family“ degradiert die weiteren Rollen der Show leider zu Nebenrollen. Im Fall der Plauener Inszenierung ist dies enorm schade, weil sie allesamt sehr gut besetzt sind. (…)
Obwohl in den letzten Jahren immer mehr deutschsprachige Bühnen die „Addams Family“ für sich entdeckt haben, wird dieses Musical vermutlich niemals den Kult-Status einer „Rocky Horror Picture Show“ erreichen. (…)
Die Inszenierung des Theaters Plauen-Zwickau hängt die Messlatte für zukünftige Produktionen jetzt allerdings deutlich höher.
Frank Guevara Pérez: „Gruftige Komödie – The Addams Family – Tauch hinab ins Dunkel“ (Auszug) (www.musicalzentrale.de)
Die vollständige Kritik finden Sie hier